
Spielt die Musik auch für Hans Kaisers künstlerisches Schaffen insgesamt eine wichtige Rolle, so verbindet ihn eine besondere Beziehung mit dem Werk des Komponisten Gerd Boder (1933-1992). Boder galt in jungen Jahren als große Hoffnung der neuen Musik, ist aber Mitte der 1970er Jahre in eine schwere Schaffenskrise geraten, von der er sich bis zu seinem frühen Tod nicht mehr erholt hat. Mit Hans Kaiser teilt der Komponist nicht nur sein Grenz- und Einzelgängertum, sondern auch eine künstlerische Freundschaft. Boder, seit 1964 am Möhnesee in der Nähe von Soest lebend, schrieb 1970 das Klavierwerk "Verwandeltes Licht" zu Hans Kaisers Fenstern in St. Patrokli. 1972 improvisierte er am Klavier zur Eröffnung einer Ausstellung Kaisers im Morgner-Haus. Hans Kaiser hielt umgekehrt nicht nur das Bildnis seines Freundes in einer für ihn charakteristischen Bleistiftzeichnung fest, sondern widmete ihm auch im Jahr 1973, wohl zu dessen 40. Geburtstag, eine Serie von Gouachen „Hommage an Gerd Boder“. Es sind mit einem Wort Hans Kaisers „Zeilen in den Raum geschrieben“, Notenzeilen mit Clustern, die sich zu farbkräftigen Klangflächen, und Klangräumen öffnen, die ebenso von Boders Musik wie von der Landschaft Ibizas inspiriert sind, wo die Arbeiten entstanden sind. Zugleich stehen sie exemplarisch für Hans Kaisers intensive Arbeit auf Papier, die in den 1970er Jahren einen großen Teil seines Werkes ausmacht.
Die Portraitzeichnung Boders und die Arbeit Hommage an Gerd Boder III, die sich im Besitz von Boders Witwe Ursula befinden, wurden im Rahmen des Klavierabends „Hommage an Gerd Boder“ am 16. Juni 2024 der städtischen Kunstsammlung Soest offiziell als Vermächtnis zugesprochen.
Der Briefwechsel zwischen Kaiser und Boder findet sich als Teil des schriftlichen Nachlasses im Stadtarchiv, Soest (P 164 / Nachlass Hans Kaiser, Nr. 6)
Text: Justus Beyerling
